Wahrnehmungs-Psychologie für das Internet

Webdesign mit Hintergrund

Die Gestaltpsychologie bietet für das Webdesign wertvolle Grundlagen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Möglichkeiten aus den Gesetzen der Wahrnehmungpsychologie direkte Regeln für die Gestaltung von Internetseiten abzuleiten.

Das Kurzzeitgedächtnis

Das sog. Kurzzeitgedächtnis spielt bei der Verarbeitung optischer und akustischer Reize eine große Rolle. Es fungiert als eine Art Zwischenspeicher, der alle eingehenden Signale zunächst aufnimmt. Das Kurzzeitgedächtnis hat eine sehr begrenzte Speicherkapazität. In aller Regel werden Eindrücke nur bis zu 15 Sekunden gespeichert, bevor sie entweder ins Langzeitgedächtnis übergehen oder wieder vergessen werden. Typisches Beispiel hierfür ist das Einprägen einer Telefonnummer aus dem Telefonbuch, um jemanden anzurufen. Nach dem Wählvorgang ist die Nummer meistens sofort wieder vergessen.

Es gilt das „first in – first out“ Prinzip, d.h. neuere Eindrücke überdecken unmittelbar die vorherigen. Eine wichtige Rolle bei der Präsentation von Informationseinheiten und einzelnen Elementen spielt die sog. Gedächtnisspanne, d.h. der Umfang der Inhalte, die unmittelbar nach einmaliger Darbietung richtig reproduziert werden können. Die Gedächtnisspanne liegt etwa bei 7 +/-1 Einheiten. Werden z.B. mehr als 8 Navigationselemente auf einmal angeboten, können die Benutzer diese nicht zeitgleich erfassen. Es ist also von Bedeutung, dass beim Präsentieren von Einheiten oder Objekten, die dem Benutzer gleichwertig, z.B. zur Auswahl präsentiert werden (Menüoptionen, Screenlayout-Elemente, Navigationsbuttons, etc.), sich die Anzahl der einzelnen Elemente in diesem Rahmen bewegt.

Gestaltgesetze

Unsere Sinnesorgane sind so programmiert, dass sie in der Lage sind, Regelmäßigkeiten und damit Ordnungen bei visuellen Reizen zu erkennen. Diese Fähigkeit dient uns Menschen dazu, Dinge in unserem Umfeld voraussehbar zu machen, eine wichtige Voraussetzung, um in unserer Umwelt zurechtzukommen. Die sog. Gestaltgesetze, die von verschiedenen Wahrnehmungspsychologen allgemeingültig definiert wurden, beschreiben bestimmte Gesetzmäßigkeiten bei der menschlichen Wahrnehmung, die auch zur Gestaltung von Bildschirminhalten angewendet werden sollten.

Gesetz der Nähe

Elemente, die nahe beieinander liegen, nehmen wir als zusammengehörig war. In Abb.1 erkennt man am ehesten Spalten, in Abb.2 eher Linien.

Abb. 1 / Abb. 2

Abb. 1 / Abb. 2

Zusammenhängende Elemente auf dem Bildschirm sollten räumlich nahe zueinander angeordnet werden, um als Einheit wahrgenommen zu werden.

Gesetz der Ähnlichkeit

Dinge, die ähnlich sind, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Die vier roten Punkte in Abb. 3 scheinen ein Viereck zu markieren.

Abb. 3

Abb. 3

Zusammenhängende Elemente sollten optisch ähnlich gestaltet werden, z.B. durch Farben oder Formen.

Gesetz der Geschlossenheit

Die menschliche Kognition neigt dazu, bei der Anordnung von Elementen nach geschlossenen Formen zu suchen. In Abb. 4 erkennt man durch die Lage der vier angeschnittenen schwarzen Kreise ein Quadrat.

Abb. 4

Abb. 4

Geschlossene Formen lassen sich auch indirekt, durch Überdeckung oder Anschneidung anderer Objekte, wirkungsvoll darstellen. Gruppen von Informationseinheiten oder Bedienungselementen sollten in wahrnehmbaren Formen gruppiert werden, damit werden sie besser als Einheit wahrgenommen.

Gesetz der Symmetrie

Sind visuelle Elemente symmetrisch einander zugeordnet, werden sie als zusammengehörig wahrgenommen. Gibt es sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch geordnete Elemente, werden die symmetrischen Strukturen als Figur in den Vordergrund gerückt, während die asymmetrisch geordneten Elemente im Hintergrund erscheinen. Die roten Punkte in Abb. 5 erscheinen als Zickzack-Form im Vordergrund, die grünen Punkte lassen keine Figur erkennen und treten in den Hintergrund.

Abb. 5

Abb. 5

Symmetrische Ordnungen schaffen strenge Strukturen, asymmetrische Ordnungen lassen keinen Zusammenhang zwischen den Elementen erkennen. Symmetrische Anordnungen zum Beispiel im Satzspiegel, vermitteln deshalb eine besserer Übersichtsgefühl als assymetrische Anordnungen.

Gesetz der Erfahrung

Das menschliche Wahrnehmungsvermögen greift ständig auf bekannte Zusammenhänge zurück. Die scheinbar willkürlich angeordneten grauen Flächen in Abb. 6 lassen unschwer den Buchstaben „E“ erkennen.

Abb. 6

Abb. 6

Die Vorerfahrung und -kenntnisse der Benutzer lassen sich gezielt einsetzen, um Formen und Zusammenhänge anzudeuten, ohne sie offen darzustellen.

Gesetz der guten Fortsetzung

Visuelle Elemente, die entlang einer guten Kurve angeordnet sind, werden als zusammengehörend wahr genommen. Die Formen in Abb. 7 sind völlig unterschiedlich und ohne eigentlichen Zusammenhang. Durch die Anordnung entlang einer imaginären Linie erscheinen sie aber zusammengehörend.

Abb. 6

Abb. 7

Zusammengehörende Elemente wie Navigationselemente, Linklisten, etc. sollten entlang einer gedachten Linie angeordnet sein. In dieser Hinsicht ist das Gesetz der guten Fortsetzung eine direkte Wahrnehmungspsychologische Grundlage für Design entlang medialer Linien, oder die strikte Einhaltung von Satzspiegeln.

Gesetz der Prägnanz

Die menschliche Kognition versucht immer, Elemente möglichst einfach und konstant zu organisieren. Simple und in sich geschlossene Strukturen dominieren über den Gesamteindruck und heben sich gut vom Hintergrund ab.

Je einfacher die Strukturen auf dem Bildschirm dargestellt werden, je leichter fällt es den Benutzern, diese zu erkennen und die wesentlichen Inhalte zu verarbeiten.

Veröffentlicht am: 25. Januar 2014